Taz Wide & Extended

By Sonja Knecht

Taz Family

Die Anfänge: vom Auftrag bis zum ersten Einsatz

Die Geschichte der Taz beginnt 1998: Luc(as) de Groot entwirft eine Headline-Schrift für Die Tages­zeitung. Visuell sollte die neue Schrift an die (zuvor verwendete) Futura Bold Condensed anschließen. Weitere Anhalts­punkte waren der deutsche Text, also viele Groß­buchstaben, sowie kleine Ober- und Unter­längen für möglichst sparsamen Zeilen­abstand im Zeitungs­satz. Und der Wunsch, mit der neuen Schrift eine starke, vertrauens­erweckende visuelle Identität zu entwickeln.

Das gelingt bestens: der Tages­zeitung wie der Schrift Taz.

Zunächst lag das Schrift­projekt wegen Re­organisationen bei der Tages­zeitung einige Jahre still. Am 7. November 2001 schließlich kam die erste „taz“ mit der Taz als Headline-Schrift auf den Markt. Aus dieser „Ur-Taz“ ging die ganze Taz-Familie hervor.

First issue of Taz provided with Taz headline font

Seit der Erst­auflage erweitert Lucas de Groot die Taz stetig und baut sie zur „Super Family“ aus. Jüngste Mit­glieder: Taz Wide und Taz Extended. Dieser Prozess und die beiden Neuerungen sind beste Beispiele für Lucas’ Anspruch, eine große Palette sinnvoll abgestufter Gewichte und Breiten zur Verfügung zu stellen (siehe Thesis TheSans, TheSerif, TheAntiqua). Das macht die Taz-Schnitte ideal für kombinierten Einsatz im Editorial Design und in komplexen Corporate-Design-Projekten.

Apropos: Einige Kunden von LucasFonts haben die Taz ausgewählt für die Abbildung von Text auf kleinen Displays (von elektronisch gesteuerten Geräten) – was eine sehr hochwertige technische Bearbeitung der Fonts erfordert. Das heißt: Von den Taz-Schnitten ist eine stetig wachsende Zahl bildschirm­optimiert („gehintet“). Die gesamte Familie wird ständig überprüft, abgeglichen und weiter­bearbeitet, wie alle Schriften von LucasFonts.

Noch unentdeckt: Taz Headline Hairline

Eine Besonderheit ist dabei die Hairline-Serie der Taz Headline: Fonts unter­schiedlicher Größe können kombiniert werden in gleicher Strichstärke (z.B. haben eine Hair 04 von 500 pt und eine Hair 06 von 333 pt beide eine Strichstärke von 2pt in den Vertikalen) – sieht super und sehr stylish aus. Seltsam, dass noch kein Magazin davon Gebrauch gemacht hat (soweit wir wissen). LucasFonts liefert zu dieser innovativen Gestaltungsidee Tabellen und Anleitungen im gedruckten Katalog: hier bestellen.

Ein Versuch, den Ausbau der Taz zu beschreiben:

Die TazText für Fließ­texte (anfänglich „TazzerText“) ist angelegt in einer Weite von 110% zur Ur-Taz für Head­lines. Die Taz Condensed mit ihrer Weite von 80% zur Ausgangs­schrift kam – mitsamt Hairlines – 2010 auf den Markt.

Taz widths

2011 erweiterte LucasFonts die TazText von 4 auf 18 Schnitte mit Kapitäl­chen – Kapitäl­chen allerdings nur für die TazText. Laut Lucas de Groot sehen „Kapitälchen bei einer schmalen Headline-Schrift nicht optimal aus“; für eine breit­laufende Fließ­text­schrift wie die TazText allerdings passen sie wunderbar als Auszeichnungs­schrift, und „brauchen ebenfalls eine gewisse Breite“.

Im Jahr 2012 fügt LucasFonts alle bis dato entwickelten Schnitte und Weiten der Taz zusammen – und ergänzt, was zu ergänzen ist. Im Zuge dessen entstehen 2013/14 die Wide (130%) und die Extended (150%).

Taz heute

Die Taz Familie umfasst heute 128 Fonts in 5 Weiten und 15 Strich­stärken. Taz und Taz Condensed bilden diese 15 Strich­stärken ab (inklusive Hairlines) plus Kursive, also je 30 Schnitte. Die TazText ist perfekt für Mengen­satz durch­getaktet: 9 Schnitte von ExtraLight bis UltraBlack plus fünf Abstufungen des Regular-Schnittes, bezeichnet als „Grades“. Die Benennung dieser Grades der TazText Regular (83, 87, 91, 96, 100 und 106) bezieht sich auf die jeweilige Breite ihrer senk­rechten Balken (Anzahl der Font Units).

Die ganze Taz-Familie hat eckige Punkte und Inter­punktions­zeichen. Alternativ stehen runde Formen zur Verfügung, für eine etwas weichere Erscheinung. Bei der Anwendung im Zeitungs­satz allerdings stellte sich schnell heraus, dass diese weichere Variante für harte Fakten und dramatische Nach­richten weniger geeignet ist …

Taz specimen
Taz Wide and Extended

Die neuen Breiten

Die neue Taz Wide und Taz Extended haben je 10 Gewichte, also 20 Schnitte mit 812 Zeichen, ein­schließ­lich Vietnamesisch.

Die Taz Wide, klar und elegant, bietet bereits eine großzügig angelegte Breite und spart dafür Platz in der Vertikalen.

Die Extended mit ihrem kraftvollem Ausdruck ist eine der breitesten Schriften auf dem Markt. Sie bietet sich an für plakative Kunst, für Werbung, und setzt ein klares Statement im Editorial Design. In ihren leichteren Schnitten hat sie durchaus etwas Architektonisches: ein Nach­folger für die Eurostile?

Die ersten Tests für die Taz Extended „machten wir bereits 2008, danach blieb sie erst mal liegen,“, so Edgar Walthert, der bei LucasFonts in Berlin haupt­sächtlich an der Taz arbeitet. In seinen Notiz­büchern findet er Skizzen und Anmerkungen zu den diversen Ausbau­stufen: „Die Taz Extended hatte zunächst eine Breite von 140% gegenüber der normalen Taz. Damit war Lucas noch nicht zufrieden und so machten wir sie weiter und weiter … Jetzt ist sie gute 150% breiter. Dadurch war der Unter­schied zur TazText so groß, dass sich die Wide als Zwischen­schritt geradezu aufdrängte.“

Notes by Edgar Walthert
Luc(as) de Groot and Edgar Walthert working on Taz
Taz features
Taz figures overview
Taz glyph set

Die Taz deckt mit Latin 1–10 alle westlichen Sprachen ab. Griechisch und Kyrillisch stehen bereits in einigen Schnitten zur Verfügung (daran arbeitet bei LucasFonts auch Aleksandra Samulenkowa zusammen mit Lucas).

Bilder aus einem langen Prozess: Korrekturen von Lucas de Groot an diversen Zwischen­schritten. Unten zu sehen ist eine steil anteigende Inter­polations­kurve, die den jeweiligen Zuwachs von Schnitt zu Schnitt anzeigt – und dass dieser eben nicht stetig in den gleichen Schritten verläuft.

Taz interpolation curves

Lucas de Groot hat schon immer viel aus­probiert und ver­sucht, mathematische gestalter­ische Regeln zu finden. Er hat eine Inter­polations­theorie mit entsprechenden Formeln zum Berechnen des Ansteigens von Inter­polations­kurven entwickelt. Im Bild sehen wir die Inter­polations­kurven der Taz-Familie über­einander gelegt. Nach vielen Tests musste Lucas zum Beispiel für die Taz Condensed (siehe Bild) aber auch von seiner Formel abweichen: Am Ende zählt beim Gestalten nur das Auge.

Taz layers
Taz extremes

Lucas de Groot hat seine Taz gestaltet in einer sehr großen Palette von Schnitten, wobei das ausdrucks­starke Grund­gerüst bestehen bleibt. Das gelingt – bei so extrem unter­schiedlichen Strich­stärken von Hairline bis extrem fett – nicht mit automatisierter Inter­polation: „Man würde unschöne und unkontrollier­bare Zwischen­formen erhalten“, sagt Lucas. Also hat er in jeder Gewichts­reihe zunächst vier „Gestaltungs­punkte“ gesetzt – den dünnsten, den fettesten und zwei dazwischen. Die übrigen (Zwischen-)~Gewichte konnten dann zwischen relativ naheliegenden Gewichten sauber inter­poliert werden.

Thema Lesbarkeit

Die TazText Regular hält Lucas de Groot für seine am besten lesbare Schrift – und überhaupt für eine der am besten lesbaren Schriften im Mengen­satz. Er unter­sucht die Details und Faktoren zu diesem zentralen Aspekt der Gestaltung mit Schrift seit Jahren und teilt sein Wissen in Vorträgen zum Thema „Lesbarkeit pro Quadrat­zentimeter“ – sehr zu empfehlen! Eine Über­sicht aktueller „Speaking events“ ist zu finden auf der LucasFonts-Homepage.

Taz Mini

Ein besonderes gutes Beispiel für exzellente Lesbar­keit kleiner Schrift­größen bietet eine Sonder­ausgabe der Tages­zeitung im Miniatur­format: entstanden aus Geld­not, um Druck­kosten zu sparen. Sie wurde gesetzt in der Taz Headline in Kombination mit Lucas de Groots AntiquaText als Fließ­text-Schrift.

Anwendungsbeispiele: nicht nur Zeitung

Mittlerweile begegnet Lucas de Groot seiner Taz auf Schritt und Tritt: „Einer meiner liebsten Orte in Berlin ist das Bauhaus.“ Warum wohl?

Bauhaus entrance
Bauhaus advertising
Bauhaus box

Im Editorial Design hat die Taz längst die Landes­grenzen überwunden und beweist international ihre Qulitäten. So gestaltet die schottische „Big Pick“ ihre komplette Ausgabe durchgängig mit der Taz und nutzt sie auch als Logo-Schrift.

The Big Pick
The Big Pick

Wie vielfältig die Taz auch in ihrer emotionalen Wirkung ist, zeigen Titel und eine beispiel­hafte Doppel­seite des Magazins Squint.

Squint spread
Squint cover

Addicted to Taz

Auch die schweizerische Blick am Abend lässt es mit der Taz so richtig krachen: Von vorne bis hinten setzt sie alles in diversen Schnitten der Taz-Familie. Hier kommt sie in ihrer Vielfältig­keit, Platz­effizienz, uneingeschränkt kombinier­bar zur Geltung – und zeigt ihre Eignung auch zum Boulevard. Dass die Blick am Abend politisch-inhaltlich-redaktionell von der Berliner Tages­zeitung so weit wie nur irgend­etwas entfernt ist, beweist, was für ein weites Feld an Ausdruck­smöglichkeiten die Taz-Familie bereitstellt …

Blick am Abend

Das bringt uns auf eine Idee: Wie wäre es, bisherige Anwendungen, sagen wir der Eurostile, durch Taz Wide und/oder Taz Extended zu ersetzen? Wir sind gespannt, wo sie zum Einsatz kommen!

Ideen, Beispiele und Fundstücke gerne per E-Mail an uns.

This article was originally published in November 2014 on Slanted, a German blog dedicated to graphic design and typo­graphy.